1800 Kilometer freihändig
Ein handelsüblicher Wagen findet den Weg alleine: Kamera, Navigationssystem
und Computer ersetzen den Fahrer
VON WALTER DE GREGORIO
Forscher der Universität Parma haben ein Auto entwickelt, das
ohne Fahrer auskommt. Morgen beginnt die einwöchige Testfahrt auf
der klassischen Mille-Miglia-Strecke.
Den Lancia Thema haben sie als Occasion gekauft, den Computer über
den Ladentisch. Alles im ARGO, dem Wagen, der seinen Weg dank ausgeklügelter
Software alleine findet, ist handelsübliche Ware. "Wir wollen zeigen,
dass es keine Spitzentechnologie braucht, um Spitzenleistungen zu erzielen",
sagt der 31jährige Projektleiter Alberto Broggi. Weniger als 25 000
Franken habe das Ganze gekostet - inklusive Autokauf.
Zusammen mit zwei anderen Jungforschern der Universität Parma,
den Ingenieuren Massimo Bertozzi, 32, und Alessandra Fascioli, 31, ist
Broggi gelungen, was bisher nicht einmal James Bond schaffte: Musste der
Superagent bei seinem letzten Einsatz den BMW noch fernsteuern, so findet
Broggis Lancia den Weg auch, ohne dass ihm jemand die Richtung angibt.
Ermöglicht wird dies durch zwei Kameras, die die Strasse beobachten,
einen normalen PC (Pentium-MMX-Prozessor, 200 MHz), der aus den Bildern
den Fahrbahnverlauf errechnet und einen Elektromotor, der am Lenkrad dreht.
Die Forscher, die den Super-Lancia vergangenen Mittwoch der Öffentlichkeit
präsentierten, haben ihren Wagen bereits auf kurzen Strecken getestet.
Am Pfingstmontag nun folgt die einwöchige Hauptprobe. Die Forscher
schicken ihren Wagen auf die klassische Mille Miglia. Rund 1800 Kilometer
wird ARGO insgesamt zurücklegen. Broggi ist zuversichtlich: "ARGO
kann auf Autobahnen sogar überholen." Ein Fahrer wird aus rechtlichen
Gründen aber nach wie vor hinter dem Steuer sitzen müssen und
im Notfall die Fahrt korrigieren. Die ganze Reise wird live auf Internet
übertragen (http://millemiglia.ce.unipr.it).
Beim Verlassen eines Tunnels braucht der Wagen eine Sonnenbrille
Mühe bekundet der Autopilot vor allem auf nasser Fahrbahn und bei
plötzlich wechselnden Lichtverhältnissen. Wenn der Lancia einen
Tunnel verlasse, dann sei er oft wie geblendet, sagt Broggi. "Wir müssen
ARGO technisch eine Art Sonnenbrille bereithalten, die er im gegebenen
Moment aufsetzen kann."
Ziel sei es nicht, sagt der Ingenieur, den Fahrer in Zukunft ganz zu
ersetzen. "Wir wollen ein System entwickeln, das den Fahrer unterstützt
und die Sicherheit im Strassenverkehr erhöht." So soll der Chauffeur,
wenn es denn im Zukunftsauto einen braucht, wählen können zwischen
vollautomatischem Pilot und manuellem Betrieb mit aktiver Unterstützung.
In diesem Fall würde der Autopilot nur eingreifen, wenn der Fahrer
hinter dem Lenkrad einnicken oder sich plötzlich unwohl fühlen
würde.
Dass durch eine solche aktive Fahrhilfe die Konzentration des Fahrers
und die Sicherheit auf den Strassen eher ab statt zunimmt, verneint Broggi
und verweist auf die Sicherheitskonzepte der vergangenen Jahre. Dieselben
Bedenken habe es auch bei Einführung von ABS und Airbag gegeben.
Das Problem sei vielmehr ein anderes, sagt Broggi, und er meint das,
wie er betont, nicht als Witz. Der Autopilot könnte, falls er "in
10 bis 15 Jahren" ausgereift und markttauglich ist, an bürokratischen
und versicherungstechnischen Hürden scheitern. Was passiert bei einem
Unfall, bei dem nur Autopiloten beteiligt sind? "Und wem", fragt Broggi,
"soll der Polizist eine Busse geben, wenn dereinst niemand mehr hinter
dem Steuer sitzt?"
Welch Probleme die Forscher doch haben! |
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